4 Fehlannahmen beim Sichern von Stürzen

In diesem Artikel wird es NICHT um die „Standard“ Sicherungsfehler gehen wie Bremsseil loslassen, Gerät falsch bedienen oder falsche Sicherungsposition einnehmen.
Zu diesen Sicherungsfehlern und dem richtigen Sichern gibt es schon viele gute Artikel und Videos.
Hier soll es stattdessen um die „fortgeschritteneren“ Sicherungsfehler bzw Fehlannahmen gehen.
Also die „kleineren Fehler“, die nicht zum Absturz führen, aber dennoch, im Falle eines Sturzes, ehr unangenehm werden können für den Kletterer und Sicherer.
Ich sehe diese Fehler häufig bei Kletter:innen, die nicht viel Erfahrung haben im Stürzen und Stürze sichern. Solltest du also bereits dein Gerät sauber bedienen und erfahren sein im Vorstieg sichern, jedoch noch nicht so sehr darin, Stürze zu sichern, dann lies weiter 😊

Ein kurzer Hinweis vorweg: Dieser Artikel ersetzt keinen Kurs! Sichern muss sorgfältig gelernt und geübt werden.

Wir starten mit der ersten Fehlannahme, wenns ums Sichern von Stürzen im Vorstieg geht

1) Immer so eng wie möglich sichern

Eine typische Konstellation, die ich häufig beobachte, besonders bei Seilschaften, die Sturzangst haben ist die, dass der Kletterer immer möglichst eng gesichert wird.
Die Grundidee dahinter ist absolut verständlich. Man hat Angst vor einem Sturz und will den Sturz so klein wie möglich halten.
Enges Sichern hat natürlich durchaus seine Legitimation. Unnötiges Schlappseil führt zu unnötig weiten Stürzen und besonders in Bodennähe sollte man eng sichern, um einen Bodensturz zu vermeiden.
Problematisch ist enges Sichern allerdings, wenn der Kletterer aus der Bodensturzgefahrenzone heraus ist und gerade 20cm mit der Hüfte an der Exe vorbei ist.
Wird hier das Seil sehr straff gehalten und der Kletterer stürzt, so hat er/sie weder Zeit noch Platz um seine Füße vor sich zu bringen und sich damit an der Wand abzufedern.
Klar, denn in 20cm Platz bringt man ca 90cm lange Beine nicht unter.
Das resultiert dann in fiesen Anprällen mit den Knien an der Wand bzw dem Abstützen und Abfangen des Sturzes mit Händen und Knien.
Sobald keine Bodensturzgefahr mehr besteht sollte man dem Kletterer entsprechend etwas lockeres Seil geben. Kein Schlappseil, das zum Boden hängt. Aber eben auch nicht total eng, sodass man im Falle eines Sturzes keinen Platz hat sich zu sortieren.
Es reicht normalerweise etwas lockeres Seil.
Aber wie gesagt – es sollte keien Bodensturzgefahr bestehen.

2) Die Annahme mehr Schlappseil bedeutet automatisch weicherer Sturz

Was ich auch schon mehrfach gehört oder gesehen habe ist bei der Frage danach ob jemand weich sichern kann und wie er/sie das macht die Antwort „ich gebe einfach etwas mehr Seil aus“.
Dahinter steckt die Annahme, dass ein Sturz weich wird, wenn man mehr Schlappseil gibt.
Dem ist nicht so. Schlappseil hat nichts mit weichem Sichern zu tun. (Falls du nicht weiß was weiches Sichern ist, hier findest du einen Artikel zum weichen Sichern)
Man kann jemanden sehr eng sichern und dennoch weich, wenn man das weiche Sichern beherrsche. Genauso kann man viel Schlappseil geben und einen extrem harten Sturz hervorrufen, wenn man im falschen Moment mitgeht oder sich als Sicherer gar ins Seil setzt und so einen Gegenimpuls erzeugt.
Schlappseil bedeutet eigentlich nur einen weiteren Sturz und nicht einen weicheren.

Dazu passt auch super der dritte Fehler:

3) Falsches Timing beim Mitspringen

Hier gehts ums Thema weiches Sichern. Leider wird das meiner Meinung nach viel zu wenig unterrichtet bzw in Kursen angesprochen.
Weiches Sichern ist das A und O, wenn es darum geht Stürze zu sichern, sodass man auch wirklich Fallen mag.
Die meisten wissen, dass man bei einem Sturz eigentlich mit dem Seilzug mitgehen sollte, um den Anprall an die Wand sanfter zu machen.
Ein Sturz wird allerdings nur dann weich und angenehm, wenn der Sicherer wirklich das richtige Timing zum Mitgehen hat.
Ist er/sie zu früh, wird der Sturz weiter und dennoch hart.
Zu spätes Mitspringen führt dazu, dass man als Kletterer quasi zwei Anprälle an der Wand hat.
Richtiges Timing fühlt sich hingegen für den stürzenden Kletterer angenehm an und wie Fahrstuhl fahren.
Also: Mitspringen an sich ist schonmal gut und die richtige Richtung, ist der Sturz für den Kletternden aber dennoch unangenehm, so sollte man nochmal gemeinsam Trainieren und üben und am Timing feilen.
Denn auch wer im falschen Moment mitspringt erzeugt einen harten Sturz und somit eine Verletzungsgefahr für den Kletterer.
Im Schlimmsten Falls springt man so früh, dass der Seilzug erst eintritt, wenn man selbst schon wieder in der Abwärtsbewegung ist, also rückwärts ins Seil fällt. Dann hätte man gleich rückwärts laufen können… der Effekt ist der gleiche.
Am Anfang ist es vollkommen normal, dass man das erstmal üben muss und das sollte man auch unbedingt tun. Je besser die Sicherunsgkompetenzen, umso freier und unbefangener kann der Kletterpartner unterwegs sein.

4) Sich beim Sichern festbinden um nicht hochzufliegen

Wie oft sehe ich, besonders am Fels, Seilschaften in denen sich der leichtere Sicherer irgendwo am Boden festbindet. Entweder quer über den Weg an einem Baum, oder an einer Wurzel im Boden, oder aber an einem Bohrhaken am Wandfuß.
Ich kann euch sagen, wer schonmal jemand richtig schweren bei einem weiten Sturz gesichert hat und weiß wie viel Kraft da auf einen wirkt, der möchte nicht am Rücken festgebungen sein…
Die Idee dahinter ist mir klar: Im Falle eines Sturzes selbst nicht die Wand hochgezogen werden.
Das birgt allerdings gleich mehrere Probleme bzw Gefahren.
1) Bekommt die eh schon leichte Person zunächst einen starken Ruck zur Wand und dann gleichzeitig einen harten Ruck nach hinten oder unten. An der sichernden Person reißt es also von beiden Seiten.
Man hängt dann irgendwie quer zwischen Bandschlinge und Seil in der Luft.
2) Der Kletterer hat auf jeden Fall einen harten Sturz, da in dem System quasi keine Dynamik drin ist.

Besser ist hier, sich mit dem Thema des Gewichtsunterschieds nochmal zu beschäftigen.
Es gibt sehr viel sinnvollere Methoden sicher zu Sichern und zu Klettern, je nach Gewichtsunterschied.
Ist der Unterschied nicht so groß, wäre meine erste go-to-Methode als Sicherer die Bewegung zu lernen, wie man sich mit den Füßen an der Wand abfängt, wenn man hochgezogen wird.
Hochgezogen werden ist an sich kein großes Problem. Nur dann, wenn man nicht weiß wie man damit umgehen soll und entsprechend Angst hat sich zu verletzen oder sich mit den Händen abzufangen und das Bremsseil loszulassen.
Deshalb gilt es die Bewegungsabläufe zu üben, damit man weiß, was an Fangstoß auf einen zukommt und damit der Körper automatisch weiß was er tun muss, um sich von der Wand abzustoßen.
Die Fehllannahme ist hier meiner Meinung nach, dass man das Hochgezogen werden komplett verhindern will. Besser wäre, sich damit auseinanderzusetzen und zu üben, wie man das für beide sicher handhaben kann.

Ist der Gewichtsunterschied größer, so gibt es auch da bessere Methoden als sich festzubinden.

Mittlerweile existieren mehrere Geräte auf dem Markt, die man als zusätzlichen Widerstand im System einsetzt, die genau für einen großen Gewichtsunterschied entwickelt wurden (Bauer, Ohm).
Außerdem gibt es Möglichkeiten wie den Z-Clipp, oder sich ein Zusatzgewicht an den Gurt zu hängen.
Das alles sind Methoden mit dem Gewichtsunterschied umzugehen, die nicht dazu führen, dass der Sicherer in der Luft halb zerrissen wird und der Kletterer hart in die Wand knallt.
Nur muss die Handhabung dieser Methoden gemeinsam vernünftig gelernt werden und auf die entsprechende Situation (je nach Gewichtsunterschied) angepasst werden.
Das braucht einfach Erfahrung und Übung.
Also das Beste was ihr machen könnt, wenn ihr euch in einer solchen Situation befindet, ist ein gemeinsames Sicherungs- & Sturztraining, um zu lernen, wie ihr euch gegenseitig wirklich gut sichern könnt.

 

bis dahin,

Rock on, Deine Aletta

 

Bildcredit:
Thomas Straub
Andrew Pawlby

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