Das Wetter wird besser, die Felssaison kommt wieder in Gang. Auch wenn die Hallen nur teilweise öffnen heißt es somit: Endlich ist nach dem Lockdown wieder richtig Klettern angesagt. Blöd nur, dass den ganzen Winter die Form gelitten hat.
Viele Kletterer & Kletterinnen beschäftigt deshalb gerade mindestens eine der folgenden Fragen:
„Wann kann ich endlich wieder richtig loslegen?“
„wie lange brauche ich nach dem Lockdown um wieder in Form zu kommen?“
„wie werde ich schnell wieder fit?“
„Kann ich mein altes Level wieder erreichen und wie am schnellsten?“
Viele hatten auf Grund der Hallenschließungen durch den Lockdown diesen Winter nicht nur eine lange Pause, sondern eine ziemliche Durststrecke im Bezug aufs Klettern.
In diesem Artikel möchte ich dir genau zu diesen Fragen ein paar Impulse und Tipps an die Hand geben, damit du diesen Sommer richtig Gas geben kannst und Spaß hast.
Zuletzt gehe ich noch kurz auf die Frage ein „wie lange dauert es denn eigentlich, bis du dein altes Level wieder hast?“
Als erstes lass uns einmal mit ein paar Fehlern beginnen, die es absolut zu vermeiden gilt, wenn du nach einer langen Kletterpause wieder einsteigst.
Was du unbedingt vermeiden solltest ist einerseits mit derselben Erwartungshaltung wie vor der Kletterpause an den Fels zu gehen. Das wird garantiert zu Frust führen.
Und da der mentale Aspekt beim Klettern mit den größten Effekt darauf hat, wie unsere Leistung aussieht, wird eine solche Erwartungshaltung dich wahrscheinlich mehr zurück werfen als die Pause an sich…Frust zu schieben, weil es nicht so schnell vorwärts geht wie du dir wünschst, bringt dich eher in eine mentale Abwärtsspirale, die deinen Prozess behindert.
Deshalb ist der erste und wichtigste Tipp:
1) Mindset
Geh mit einem positiven Mindset an die Sache!
Unsere Gedanken bestimmen maßgeblich, wer wir sind uns was wir erreichen.
Wenn du glaubst, dass du nach einer Pause nie wieder dein altes Niveau erreichen wirst, dann wird genau das wahrscheinlich auch passieren.Warum? Ganz einfach weil du viel schneller frustriert sein wirst, falls es eben nicht ganz so vorwärts geht wie du willst und, da du ja innerlich überzeugt bist, dass du es eh nicht schaffst, wirst du auch früher aufgeben und deine Überzeugung wird sich bestätigen.
Andererseits, wenn du mit genau der gegenteiligen Überzeugung an die Sache ran gehst wird sich dass genauso positiv auf deine Entwicklung auswirken.
Verinnerliche dir den Glaube: NATÜRLICH kann ich nach einer langen Pause mein Niveau wieder erreichen. Und NATÜRLICH kann ich nach einer Pause auch stärker werden als vorher.
Als ein kleiner Überzeugungsboost könnte dir vielleicht helfen zu wissen, dass Ben Moon (bekannter starker Kletterer aus den ….) einmal mehrere Jahre Kletterpause gemacht hat und danach (natürlich nach einer gewissen Trainingszeit/Wiedereinstiegszeit) eine seiner schwersten Touren geklettert ist [Quelle: Mastermind].
Dein Fokus
Was dir nach dem Lockdown auch sehr helfen kann ist, im Zeitraum von deinem Wiederaufbau deinen Fokus im Klettern etwas zu verlagern. Ich kann mir gut vorstellen, dass du gerne die alten Projekte wieder probieren willst, oder eben das gleiche Niveau haben willst. Aber es geht ja zum Glück nicht nur um den Leistungsgedanken beim Klettern, oder die Grade. Graddiskussionen sind eh so eine Sache im Klettern… Ist es wirklich so wichtig wie schwer genau eine Tour ist? Oder zählt nicht viel mehr die Ästhetik, die Bewegungen in der Tour, wie sehr du in dieser Tour im Flow warst, oder wie sie zu deinem eigenen Wachstum beigetragen hat?
Deshalb ist für dein Mindset nach dem Lockdown hilfreich, wenn du dich an all den anderen Dingen am Klettern erfreust und positiv an den Prozess ran gehst.
Den zweiten Fehler, den du auf keinen Fall machen solltest ist, dein Training beziehungsweise deinen Kletterumfang genauso fortzusetzen wie vorher.
Mit zunehmender Trainingsdauer wird auch unser Körper leistungsfähiger. Der Körper gewöhnt sich an die Belastung und hält mehr aus. Nach einer längeren Pause ist der Körper nicht mehr die gleiche Belastung gewöhnt wie vorher. Wenn du jetzt wieder mit dem gleichen Pensum startest, kommt es schnell zu Überlastungen oder Verletzungen.
Und die schmeißen dich noch um einiges weiter zurück…
2) Niveaucheck
Deshalb macht es Sinn beim Weidereinstieg ins Klettern nach dem Lockdown erstmal eine Bestandsaufnahme zu machen.
Finde heraus wo du gerade, im Bezug auf dein Kletterniveau, stehst.
Mein Tipps dafür ist: Wärme dich zunächst in mehreren leichten Touren auf und erstmal wieder in den Bewegungsfluss. Such dir nach dem Aufwärmen ein paar Touren in deinem früheren Onsight Niveau und probiere diese Touren zu Klettern. Nicht auf biegen und brechen, sondern nutze sie einfach um zu schauen wo du stehst. Welche Schwierigkeit geht noch ganz gut im Onsight und welche nicht?
Damit hast du schonmal eine grobe Einschätzung wo du gerade stehst.
Danach (Wahrscheinlich beim nächsten Training, oder am nächsten Klettertag) suchst du dir entsprechend deines aktuellen Niveaus wieder Projekte und versuchst sie durchzusteigen.
Im Endeffekt gehst du genau so an deine Klettertage wie vorher, nur dass du eben dein Niveau etwas anpassen musst und um das sinnvoll zu tun macht am Anfang ein Niveaucheck Sinn.
Und dann?
3) Schritt für Schritt & Hör auf deinen Körper
Dein Körper wird dir sehr genau sagen was du machen kannst und was nicht, wann es zu viel wird etc. Über diese Grenzen drüber zu gehen macht absolut keinen Sinn. Deshalb steigere dich – genau wie du es sonst auch tun würdest – wieder Schritt für Schritt.
Fange mit einem geringeren Pensum und leichteren Touren an, schau wie es dir nach solchen Tagen geht, wie viel Muskelkater du hast, wie sich deine Finger, Unterarme und Muskelansätze anfühlen. Und wenn du merkst, dass sich die Auswirkungen im Rahmen halten und du schnell regenerierst, kannst du dich steigern. Etwas intensivere Klettertage einlegen mit mehr Umfang oder schwereren Touren/Bouldern, und eben weitere Trainings/Klettertage, wenn die Regenerationsphasen kürzer werden.
Poco a poco sagen die Spanier so schön. Auch wenn du diese Schritte vielleicht schonmal gegangen bist.
Das Gute ist: Da du schonmal eine gewisse Schwierigkeit erreicht hattest weißt du, dass du dieses Niveau prinzipiell erreichen kannst. Damit ist die mentale Hürde schonmal soooo viel geringer als wenn du das erste Mal einen neuen Grad knacken willst. Entsprechend schneller wirst du auch das alte Level wieder erreichen, eben weil du weißt, dass du es kannst.
4) Der Spaßfaktor
Was ich dir als letzten Tipp mitgeben möchte: Hab Spaß! Das ist sowieso das aller Wichtigste. Je mehr Spaß du beim klettern hast und je positiver deine Emotionen, umso mehr wirst du erreichen, umso leichter geht alles von der Hand.
Je mehr du es einfach genießt wieder am Klettern zu sein und positive Gedanken deinen Kopf füllen und du dich wieder aufs Klettern freust, umso beflügelter bist du und umso schneller wirst du durch reine Freue und daraus gespeiste Motivation & Kletterdrangdrang wieder fit.
Und wie lange braucht es bis ich wieder auf dem alten Niveau bin?
Dann möchte ich noch kurz auf die Frage eingehen „wie schnell“ bin ich wieder auf meinem alten Level. Leider ist das nicht so leicht beantwortet, denn auch das ist so individuell wie wir Menschen. Wie lange es dauert hängt davon ab:
- wie lange deine Pause war
- auf welchem Niveau du vorher warst
- was du in der Pause ansonsten an Sport gemacht hast
- wie du an den Weidereinstieg ran gehst
- generell deinen körperlichen und muskulären Voraussetzungen.
Das Muskelgedächtnis hilft beim Klettern nach dem Lockdown
Aber: damit du jetzt nicht mit der gleichen Frage wie vorher dastehst und demotiviert bist lass mich dir noch eins sagen:
Nach einer langen Pause bist du schneller wieder auf deinem alten Niveau, als du vorher gebraucht hast um das Niveau zu erreichen.
Grund dafür ist das Muskelgedächtnis.
In diesem Zusammenhang ist einerseits die neuromuskuläre Koordination zu nennen.
Wenn deine Muskeln und dein Nervensystem koordinativ einmal eine Bewegung gelernt haben vergessen sie das nicht mehr. Prinzipiell weißt du, wie du eine Bewegung ausführen musst, welche Muskeln dabei zusammen spielen müssen etc. Vielleicht sind die Muskeln nicht mehr ganz so perfekt in ihrem Zusammenspiel wie vorher, aber das Grundkonzept ist angelegt.
Typisches Beispiel hierfür ist das Fahrradfahren. Wenn man einmal gelernt hat ein Fahrrad zu fahren verlernt man das nicht wieder. Auch nicht nach 2 oder mehr Jahren Pause.
Das gleiche gilt für andere koordinative Bewegungsabläufe.
Andererseits spielt der Aufbau von zusätzlichen Zellkernen eine wichtige Rolle.
Durch Training nimmt die Anzahl der Zellkerne im Muskel zu. Diese Zellkerne bleiben auch während mehrerer Monate dauernder Pausen erhalten. Wenn du nun nach einer Pause dein Training wieder aufnimmst, besitzen deine Muskeln also eine höherer Zellkapazität, als zu dem Zeitpunkt als du mit dem Klettern begonnen hast. Entsprechend findet Reaktivierung der Muskeln schneller statt, als ihr ursprünglicher Aufbau und du erreichst relativ schnell wieder dein Level von vor der Kletterpause.
Übrigens war das bei mir nach etwa 7 Monaten Vorstiegspause nach einem Bandscheibenvorfall exakt das gleiche auf der mentalen Ebene.
Genau wie körperlich kommst du normalerweise auch mental schnell wieder auf dein altes Niveau zurück.
Es braucht vielleicht ein paar Touren, oder ein paar gute Stürze, aber dann ist erfahrungsgemäß der Kopf wieder da wo er vorher war…
Wie schon oben erwähnt: je positiver dein Mindset, je mehr Spaß du hast und je besser du auf deinen Körper hörst, umso schneller wirst du auch dein altes Niveau erreichen.
Deshalb immer dran denken: Druck und Übermotivation sind eher schädlich. Versuche dich in der Zeit, in der die Leistung noch nicht wieder so da ist, auf die anderen tollen Aspekte des Kletterns zu konzentrieren und aus ihnen Motivation zu schöpfen 🙂
Deine Aletta
Suchst du einen Kurs oder eine Trainerin für ein individuelles Klettercoaching?
Schreib mir gern eine Email mit deiner individuellen Anfrage! Wir lernen uns erst einmal telefonisch kennen, besprechen dein Anliegen und schauen, ob es passt gemeinsam daran zu arbeiten.
ich freue mich von dir zu lesen!
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Weiterführende Links zu ähnlichen Artikeln:
https://www.outdoor-magazin.com/klettern/tipps-comeback-nach-kletterpause/
Interview mit Michèle Knaup zum Thema Wiedereinsteig ins Klettern nach dem Lockdown